Creative Commons License Das folgende Gedicht ist lizensiert unter einer Creative Commons Lizenz. Das Copyright © 1995 liegt bei mir, Bernhard Krickl.

Die Ufer des Denkbaren

Nach langer Reise erreichte ich,
verwirrt, hinterlassen,
über den steinernen Pfad,
der so ist, wie ich ihn fand -
nach mühseliger Wanderung
barfuß und abgekämpft -
die Ufer des Denkbaren.

Mein Atem kondensierte
in der klaren, kühlen Luft
über dem Süßwasserozean.

Ich stand, setzte mein
Säcklein ab, in dem sich
meine übriggebliebenen
sieben Sicherheiten sammelten,
trat einen weiteren Schritt vor
und überblickte
das Meer des Menschenmöglichen.

Dort draußen gab es,
wie ich hörte,
tiefe Gründe des
rein prinzipiell-theoretischen
und seichte Sandbanken
unschiffbarer Schätzungen.
Einige heiße Strömungen
des Geistes sollen sogar
kartografiert sein.

Niederkniend schöpfte ich
von den herannahenden Wellen.
Trinke das Wasser immer nur
von einer Stelle, hieß es,
dann ist es erfrischend.
Doch säufst du es bald hier
bald dort
verdirbst du dir den Magen
und es zersetzt
dein Hirn.

Ich wußte, was sie meinten,
als ich das dunkle Donnern
der Strudel des Disputs hörte,
wo die verschiedenen Temperaturen
aufeinandertrafen.

Mich besinnend öffnete ich meinen Rucksack,
barg die sieben Sicherheiten,
die ich aus dem Innern des Landes
herbeigeschafft hatte,
von den Feldern
und aus den Städten.
Ich sie in meiner Hand,
schwer und massiv wie
Marmor -
grub sie im Sand halb ein,
trat zurück und wartete.

  Hinter mir schützten Deiche
  das Land vor der Flut,
  vor mir besänftigten Wellenbrecher
  die Wogen.
  Die Wassermassen ächzten und
  stöhnten, und wie sie sich so
  den Strand hinaufkämpften,
  meinte ich Wehgeschrei zu vernehmen,
  doch man hatte mir geraten,
  nicht darauf zu achten.

Dann kam die Flut,
umspülte die sieben Sicherheiten,
hüllte sie ein.
Einige Zeit später
fand ich sie aufgelöst und
ohne einen Rückstand.

-

So zog ich mich aus,
badete an den Ufern des Denkbaren
im Meer des Menschenmöglichen,
sah alles unter einer Sonne untergehen,
und machte mich
in der Nacht des Gezeitenwechsels
auf, zurück ins Land,
noch härteren Stein zu finden.